Nachdem ich mir das historische Zentrum Altbagan mit einigen der beeindruckendsten Tempel, wie dem berühmten Ananda Phato, angeschaut
habe, mache ich mich auf dem Weg zum Hotel für einen kurzen Mittagsschlaf. Auf dem
Weg treffe ich einen Fischer namens Sulay mit seiner jungen Familie. Er spricht
erstaunlich gut Englisch und wir haben eine nette Unterhaltung. Zwei Dinge
empfiehlt er mir:
Die erste ist ein Tempel, der am südlichen Ende von Bagan
liegt – „Sissima“ heißt er wohl. Im Reiseführer findet er sich nicht. Eine
„Indiana Jones“ Erfahrung verspricht Sulay mir, was natürlich meine Neugier
weckt. Über ein paar Felder und durch ein paar Sträuche finde ich tatsächlich
meinen Weg zu besagtem Tempel. Er ist zwar beeindruckend aber nicht vollkommen
anders als die anderen von außen. Einen Eingang zu einem Tunnelsystem, von dem
Sulay wohl gesprochen hat, finde ich nicht. Ich gehe wieder und treffe vor dem
Eingangsportal des umfriedeten Tempelgeländes auf Zonai. Er wohnt mit seiner
Familie in einer Ecke des weitläufigen Tempelgeländes und fordert mich auf,
doch noch einmal mit ihm zurückzugehen. Er holt seine aus Bambus selbst
hergestellte Leiter und lehnt sie an die Südseite des Tempels. Ich erkenne nun
auch einen schmalen Höhleneingang. Um ihn zu erreichen, müssen wir auf die
zweite Terrassenstufe hinaufklettern, drei Meter mögen es sein. Dann geht es in
den Tunneleingang. Mit Taschenlampe aber ohne Schuhe. Die heiligen Stätten sind
grundsätzlich nur barfuß begehbar, will man sich nicht eines Sakrilegs schuldig
machen.
Auf dem sandigen Untergrund zeichnet Zonai das Gangsystem
nach und bereitet mich so auf unsere kleine Höhlenwanderung vor. Der Tunnelpfad
führt ca. 30 Meter in eine Richtung bevor er im rechten Winkel abknickt, dies
wiederholt sich zwei weitere Male, sodass wir am Ende ungefähr den
quadratischen Grundriss des Tempels nachgelaufen sein werden.
Auf dem Boden liegen Steine und einige größere Tonscherben.
Es ist etwas unangenehm im fahlen Licht den richtigen Tritt zu finden. In der
schweren, staubigen Luft liegt ein bestialischer Gestank. Der Boden ist über
und über bedeckt mit dem Mist hunderter Fledermäuse, die über unseren Köpfen
hängen und über uns hinwegfliegen.
Nach den ersten 30 Metern verjüngt sich der Tunnel zu einem
schmalen Spalt, der ungefähr auf Brusthöhe liegt. Wir klettern hoch, Zonai
zuerst. Die Kakerlaken verschwinden in den dunklen Ecken, sobald er mit der
Taschenlampe auf den Boden leuchtet. Bei mir stellt sich ein leichtes Gefühl
des Ekels ein. Inzwischen habe ich Fledermausscheiße an den Füßen, Knien und
Handinnenflächen. Tageslicht sehe ich schon länger keines mehr. War das die
richtige Entscheidung? Ich zweifele etwas. Aber Zonai scheint den Abstieg schon
häufiger gemacht zu haben und strahlt Ruhe aus. Meine Atmung geht indes immer schneller.
Endlich im letzten Tunnelabschnitt angekommen, steht vor uns
das Ziel des gewagten Ausflugs. Eine Buddhastatue – was sonst – nicht so
stattlich wie solche, die ich am Vormittag schon einfacher zu sehen bekommen
habe. Der Kopf fehlt. Aber nun gut. Ich reiße mich zusammen, schieße zumindest
ein Foto und schlage vor, den Rückweg einzuschlagen. Hinter der Buddha-Statue,
im Übrigen, führt ein noch schmalerer Gang entlang, den wir zum Glück nicht
nehmen. Er soll, so Zonai, ein Fluchtweg der Mönche vor äußerer Bedrohung
gewesen sein und führe direkt bis zum ca. zwei Kilometer entfernten Ufer des
Irrawaddy.
Ich bin hingegen glücklich, gleich das Tageslicht
wiederzusehen.
Folgende Passage in meinem Reiseführer habe ich übrigens
erst hinterher gelesen:
„Unter den Tieren {in Bagan} gibt es ...
überdurchschnittlich viele Schlangenspezies, die sich in den dunklen Ecken der
Tempelbauten am wohlsten fühlen. Also etwas aufgepasst!“
Sulays zweite Empfehlung ist, am frühen Abend zum Ufer des
Irrawaddy zu kommen auf Höhe der Lawkananda Pagode. Dort würde es eine schöne
Badestelle geben, an der er und seine Familie sich waschen werden. Ich gehe
hin, treffe Sulay wieder und finde einen friedvollen, atmosphärischen Ort, im
Hintergrund geht die Sonne über dem Irrawaddy unter. Was für eine Szene.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen